Wirtschaft und Währung, Zukunft Europa

Newsletter: Aufbauprogramm #NextGenerationEU

Ankündigung4

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde!

Am heutigen Pfingstsonntag, zum Ende der Osterzeit, sind viele Hoffnungen nach einer starken europäischen Krisenantwort auf gutem Wege, in Erfüllung zu gehen. Denn letzte Woche hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Vorschläge für ein mutiges Aufbauprogramm und ein überarbeitetes EU-Budget für 2021-2027 vorgelegt. Die EU-Kommission setzt dabei viele Segel richtig und schafft ein gutes Fundament für die Gespräche mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten. Von der Leyen hat sich nicht vom gemeinsamen Zukunftspfad abbringen lassen und wesentliche Forderungen des Europaparlaments übernommen. 

Der Name ist Programm: Next Generation EU verbindet die dringend notwendige Aufbauhilfe mit den Antworten auf wichtige Zukunftsfragen. Die gemeinsamen Investitionen sollen dafür sorgen, dass unsere Europäische Union erfolgreich den Weg aus der Krise findet und in der Welt von morgen klimaneutral, digital, sozial gesund und ein starker, wettbewerbsfähiger Global Player ist. Ein besonderer Applaus gebührt Ursula von der Leyen für das zusätzliche Aufbaufondsvolumen von 750 Milliarden Euro, wovon 500 Milliarden Euro direkte Zuschüsse sind. Damit kann die Neuordnung Europas gelingen.

Neben dem Volumen des Aufbauprogramms und der gesunden Mischung aus Zuschüssen und Krediten begrüße ich vor allem den richtig gestellten Kompass auf die notwendigen Zukunftsinvestitionen einschließlich Green Deal und Digital Agenda, die neue Finanzierungsquelle durch Aufbau-Anleihen, die aufgestoßene Tür zu neuen eigenen Einnahmen einschließlich einer fairen EU-Digitalabgabe, die demokratische Kontrolle des Europaparlaments bei der Mittelvergabe, die Bindung der Hilfsgelder an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, den gerechteren Verteilungsschlüssel für Kohäsionsförderungen und das neue eigenständige EU-Gesundheitsprogramm EU4Health.

Ich erwarte von allen EU-Staats- und Regierungschefs, dass sie europäische Verantwortung und Solidarität leben und diesen eingeschlagenen Weg gemeinsam entschlossen unterstützen. Es geht nicht um Ausgaben oder Schulden, sondern um dringend benötigte Hilfen und Investitionen in unsere gemeinsame Zukunft. Wer diesen Weg nicht unterstützt, schadet der Gemeinschaft und sich selbst. Schon bei der Tagung des Europäischen Rates am 19. Juni sollte dem Vorschlagspaket der notwendige politische Umsetzungsschub verliehen werden. Alles andere wäre fahrlässig!

Ihr Othmar Karas


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Wie sieht das Vorschlagspaket der EU-Kommission aus?

Die Europäische Kommission wird dazu ermächtigt, 750 Milliarden Euro über gemeinsame, befristete, zweckgebundene und durch das EU-Budget besicherte Aufbau-Anleihen, wie von mir bereits in einem Brief im Herbst 2019 an Ursula von der Leyen vorgeschlagen, am Kapitalmarkt aufzunehmen. Die Mittel fließen in einen Aufbaufonds durch den bestehende und neue EU-Programme gestärkt werden. Somit hat das Europaparlament die gleiche Mitsprache und Kontrolle bei der Vergabe der Aufbaugelder wie bei der Vergabe von EU-Budgetmitteln. Konkret fließt das Geld – zu zwei Dritteln als Zuschüsse und zu einem Drittel als Kredite – über die folgenden drei Säulen: 

Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Erholung und Stärkung 

Der Großteil der Mittel – rund 560 Milliarden Euro – werden über eine neue Aufbau- und Resilienzfazilität vergeben. Damit werden Mitgliedstaaten unterstützt, zentrale Investitionen und Reformen umzusetzen, die sich am „Kompass“ Klimaschutz, Digitalisierung und Widerstandsfähigkeit orientieren. Die Bindung an das Europäische Semester – unser europäisches System für die wirtschaftspolitische Koordinierung – sichert den notwendigen Fokus auf die dringendsten Investitionen und Reformzusagen. Darüber hinaus ermöglicht der Hilfsfonds ReactEU erhöhte Kohäsionsförderungen für die bedürftigsten Mitgliedstaaten, Spitäler, Gemeinden, den Tourismus und Kultureinrichtungen. Auch neue EU-Programme, wie der Just Transition Fund im Rahmen des Green Deal, werden erheblich aufgestockt.

Startrampe für Wirtschaft und private Investitionen

Das Investitionsprogramm InvestEU wird verdoppelt. Zum einen wird ein neues Solvenzhilfeinstrument geschaffen, um Liquiditätshilfen für Unternehmen über die Europäische Investitionsbank bereitzustellen. Durch eine EU-Garantie von 31 Milliarden Euro sollen dabei rund 300 Milliarden Euro an Investitionen für Unternehmen mit akuten Zahlungsproblemen mobilisiert werden. Zum anderen wird eine neue Fazilität für strategische Investitionen eingerichtet, um strategische Investitionen und Versorgungsketten zu unterstützen. Rund 150 Milliarden Euro an Investitionen sollen über eine EU-Garantie von 15 Milliarden Euro ausgelöst werden.

Dringendste Lehren aus der Krise ziehen 

Ein eigenständiges EU-Gesundheitsprogramm EU4Health wird geschaffen und mit 9.4 Milliarden Euro dotiert. Darüber hinaus wird der gemeinsame Beschaffungsmechanismus für medizinische Produkte RescEU aufgestockt, die gemeinsame Forschung durch Horizon Europe gestärkt und das Volumen der EU-Nachbarschaftsinstrumente erhöht.

Neue eigene Einnahmen wie eine EU-Digitalsteuer schaffen mehr Gerechtigkeit und sollen ab 2024 eingeführt werden. Das soll Druck von den krisengeschwächten nationalen Haushalten nehmen und die Rückzahlung der Aufbau-Anleihen erleichtern. Darüber hinaus passt die EU-Kommission ihren Vorschlag zum EU-Budget für 2021-2027 an, um die gemeinsamen Prioritäten besser abzubilden und mehr Flexibilität bei der Mittelvergabe zu schaffen. Das siebenjährige EU-Budget soll 1.100 Milliarden Euro umfassen. Zusammen mit dem Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro und dem bereits verabschiedeten „Feuerlöschpaket“ von 540 Milliarden Euro ergibt sich eine starke europäische Krisenantwort im Gegenwert von 2.390 Milliarden Euro. Darin sind die dadurch zusätzlich ausgelösten privaten und öffentlichen Investitionen von mehreren hundert Milliarden Euro noch gar nicht eingerechnet.


Wird dadurch eine Schuldenunion geschaffen?

Nein. Beim Konzept der befristeten und zweckgebundenen Aufbau-Anleihen haften die Mitgliedstaaten in der Höhe ihres Anteils zum EU-Budget. Eine Vergemeinschaftung historischer Schulden ist ausgeschlossen. Das wäre mit dem aktuellen EU-Vertrag gar nicht vereinbar (konkret mit Artikel 125 und 310). Ein Rückzahlungsplan ist angedacht. Das Schreckgespenst der Schuldenunion wurde von Beginn an völlig unnötig an die Wand gemalt. 

Warum geht es nicht ohne Zuschüsse?

Der drohende Konkurs von Spitälern in Norditalien, die Menschenleben retten, kann allein durch Kredite nicht abgewendet werden. Wichtige Wirtschaftsbranchen werden ohne direkte Zuwendungen nicht überleben. Gerade Österreich ist auf einen gesunden europäischen Binnenmarkt angewiesen. Denn zwei Drittel unseres Wohlstandes kommt vom Export und drei Viertel des Tourismus aus dem Ausland. Auch das österreichische Milliarden-Programm für Unternehmen und Gemeinden vergibt zu Recht Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Auf EU-Ebene sind Zuschüsse in Wirklichkeit nichts Neues, sondern seit jeher ein elementarer Bestandteil des EU-Budgets. Wer dagegen mobil macht, streut den Menschen Sand in die Augen.


Welche Fragen sind offen?

  • Das Europäische Parlament muss bei jeder Entscheidung auf europäischer Ebene an Bord sein. Bei der Schaffung aller EU-Programme des Aufbaufonds sowie bei der demokratischen Kontrolle der Mittelvergabe ist das Europaparlament laut Kommissionsvorschlag voll eingebunden. Aufgrund der gewählten Rechtsgrundlage von Artikel 122 des EU-Vertrages beschließt die Grundkonstruktion des Aufbaufonds aber der Rat. Um diese Lücke zu schließen und die Einbindung der Europäischen Bürgerkammer auch hier sicherzustellen, erfordert es eine starke interinstitutionelle Vereinbarung.
  • Rolle der neuen eigenen Einnahmen der EU. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat ihre Unterstützung für neue eigene Einnahmen ausdrücklich zugesichert. Konkrete Vorschläge zu Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem, einer gemeinsamen Steuerbemessung bei Unternehmenssteuern, der Plastikabgabe und Vereinfachungen bei der Mehrwertsteuer liegen auf dem Tisch. Jene zur Digitalsteuer und dem CO2-Grenzausgleichsystem sollen folgen. Am Ende müssen auch die Mitgliedstaaten zustimmen.
  • Die Höhe des EU-Budgets für 2021-2027. Da die Mitgliedstaaten durch die Rezession weniger ins EU-Budget einzahlen können, müssen wir jetzt gemeinsam in unsere Zukunft investieren. Das Europaparlament wird den Kommissionsvorschlag genau unter die Lupe nehmen, ob er den gemeinsamen Herausforderungen gewachsen ist. Die Europäische Bürgerkammer wird nur einem EU-Budget zustimmen, das die gemeinsame Zukunft sichert. 
  • Rolle der Rabatte im EU-Budget. Derzeit wird ein späteres Auslaufen der Rabatte im EU-Budget erwogen. Rabatte sind der Beginn der Rosinenpickerei. Der Britenrabatt war der Beginn vom Brexit. Das beste Budget wäre daher eines ohne Rabatte.