Hilfswerk, Pflegereform, Soziales

Tag der Pflegenden Angehörigen

Die Bundesregierung hat bereits 2020 den Startschuss für eine Debatte über die Pflegereform gegeben. Mehr als ein Jahr danach fällt die Bilanz ernüchternd aus. Es wurden wichtige und richtige Themen angesprochen, aber nicht mehr. Der lähmende Elefant im Raum ist der neuerlich und nunmehr auf 2022 verschobene Finanzausgleich.

 

Der Gastkommentar auf DiePresse.com

 

Hunderttausende Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können nicht weiter warten, bis ein weiteres Jahr ungenutzt ins Land zieht. Es muss jetzt gehandelt werden. Mit politischem Willen ist vieles möglich, ohne auf eine großflächige Neuverteilung der Gelder zu warten.

Die beste und beliebteste Pflege ist die zu Hause. Vier von fünf Pflege-Bedürftigen werden so betreut, die Hälfte ausschließlich von pflegenden Angehörigen. Das ist und bleibt auch budgetär am kostengünstigsten. Das geht inzwischen aber in einem Ausmaß zu Lasten der Familienangehörigen, das nicht mehr hinzunehmen ist. Viele opfern sich weit über ihre Belastungs-Grenze hinaus auf.

Der „Tag der pflegenden Angehörigen“, der am kommenden Montag im Kalender steht, sollte uns Anlass sein, das stärker in den Blick zu nehmen. Pflegende Angehörige sind das Rückgrat des Pflegesystems. Aber sie sind oft unsichtbar. Sie werden unterschätzt, weil sie sich nicht laut bemerkbar machen.

 

Das österreichische Hilfswerk steht als Nr. 1 in der Pflege zu Hause mit mobilen Diensten zur Unterstützung zur Verfügung. Es macht sich auch zur Stimme für die hunderttausenden stillen Heldinnen und Helden des Landes und fordert: Es braucht endlich die Umsetzung von einfachen – aber überfälligen – unterstützenden Maßnahmen durch Bund, Länder und Gemeinden. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • – Kostenlose Erstberatung für pflegende Angehörige durch Pflegefachkräfte und/oder SozialarbeiterInnen
  • – Angebote für pflegerisches Coaching und psychosoziale Begleitung
  • – Unbürokratische Entlastungsangebote für Auszeiten von der Pflege
  • – Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durch Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit für mehr als die jetztigen maximal sechs Monate
  • – bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung und Anrechnung von Pensionsersatzzeiten
  • – rasche Umsetzung des angekündigten Pflege-Bonus
  • – Außerdem sollen diejenigen die sich in der familiären Pflege engagiert haben, unbürokratisch in einen Pflege- oder Betreuungsberuf wechseln können. Das mindert die Angst vor einer privaten Sackgasse ohne berufliche Wiedereinstiegs-Perspektive.

 

Das Angebot einiger Bundesländer, pflegende Angehörige durch Anstellung besser abzusichern, hat leider mehrere Haken und wird auch dementsprechend schlecht angenommen. Warum? Der durchschnittliche pflegende Angehörige ist 62, eine mögliche Anstellung ist nur für ein Drittel theoretisch relevant. Hinzu kommt wie so oft das Kleingedruckte: In einem der Modelle werden Pflegegeld und Pension analog zu einer Betreuung im Heim zur Deckung der Entlohnung des Pflegenden vom Land einbehalten. Die betroffene Familie zahlt sich die Anstellung also praktisch selbst. Anstelle einer persönlichen Entlastung kann damit ein neues Loch in die Haushaltskassa gerissen werden.

Alles in allem: Es braucht nicht neue Hürden für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, sondern besseren und schnelleren Zugang zu Unterstützung.

Die überwiegende Mehrheit der Pflegebedürftigen will in seinen eigenen vier Wänden betreut werden. Das müssen wir als Solidar-Gemeinschaft leichter lebbar und besser leistbar machen. Der „Tag der pflegenden Angehörigen“ am 13. September wäre ein guter Anlass für die Entscheidungsträger, endlich grünes Licht für ein paar einfache erste Reformschritte in der Pflege zu geben, die die Arbeit der pflegenden Angehörigen tatsächlich anerkennt.