Asyl & Migration, Europa

VN/VOL.AT: Othmar Karas zu Abschiebungen nach Afghanistan: „Eine Scheindebatte“

SCHWARZACH „Zunächst muss man sich eingestehen: Der Westen hat in Afghanistan versagt“, sagt Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Mit Blick auf die Frage, was die Europäische Union nun machen soll, plädiert der langjährige EU-Mandatar auf einen Dreiklang: Einerseits müsste alle jenen geholfen werden, die nach der Machtübernahme der Taliban um ihr Leben fürchten müssten – da sie zum Beispiel ausländischen Kräften geholfen hätten. Zweitens brauche es Unterstützung von Flüchtlingen in den Nachbarländern, und drittens endlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union.

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Verweis auf Zahlen

Die Diskussion um Abschiebungen von Afghanen, an der seine Partei noch immer festhält und nun auch Abschiebezentren in den afghanischen Nachbarländern ins Spiel gebracht hat, kann Karas nicht nachvollziehen. Der EU-Parlamentarier verweist auf die aktuellen Zahlen: Derzeit seien 35 Personen aus Afghanistan in Schubhaft, eine davon käme umgehend wieder auf freien Fuß. Bei 28 handle es sich um sogenannte Dublin-Fälle, diese Personen würden also wieder in jenes EU-Mitgliedsland zurückgebracht, in dem sie erstmals registriert worden sind. Betroffen seien also gerade einmal sechs Menschen.

„Es handelt sich um eine Scheindebatte“, sagt Karas. Die Urteile des Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte seien klar. „Es kann keine Abschiebung nach Afghanistan geben und es wird auf absehbare Zeit keine Abschiebung nach Afghanistan geben.“ Er sei mit dem Bundespräsidenten einer Meinung, betont der stellvertretende EU-Parlamentspräsident Karas. Dieser hatte bereits erklärt, dass Rückführungen in das Krisenland aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung fehl am Platz seien. Die Vorgangsweise stehe im Widerspruch zur in der Verfassung verankerten Europäischen Menschenrechtskonvention.

Afghanistan ist das aktuellste Thema, für das die Europäische Union eine gemeinsame Vorgehensweise finden sollte, doch für Karas ist der Klimawandel das prioritäre Thema, das nicht nur in der EU, sondern global gelöst werden muss. „Für den Klimawandel gibt es keinen Impfstoff“, stellt er fest. Der Green Deal und die Bekämpfung des Klimawandels biete aber auch Chancen, so der Europapolitiker, die es zu ergreifen gelte. Mit 1800 Mrd. Euro habe die Union das größte Investitionsprogramm beschlossen, das auch die Chance biete, in der Umwelttechnologie Weltmarktführer zu werden. Natürlich gebe es verschiedene Geschwindigkeiten, doch man könne das Ziel gemeinsam erreichen.

 

Von Magdalena Raos, Andreas Scalet