Hilfswerk, Soziales

Hilfswerk: Der sehnlichste Neujahrswunsch von Pflegekräften: „Mehr Kolleginnen und Kollegen!“

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Wien (OTS) – Wer Praktiker/innen in den Pflege- und Betreuungsberufen nach ihren Wünschen fragt, die sie mit der von Bundesminister Rudolf Anschober für 2021 in Aussicht gestellten Pflegereform verknüpfen, erhält vor allem eine Antwort: Mehr Kolleginnen und Kollegen! Das sieht stellvertretend für viele auch Oliver WeichselbaumerPflegedienstleiter beim Hilfswerk in Oberösterreich, so: „Die vielbeschworene Würde in der Pflege muss sowohl für die zu pflegenden Menschen, als auch für die Pflege- und Betreuungskräfte gewährleistet sein. Mehr Personal bedeutet: Verbindliche Dienstpläne mit weniger Überstunden und kurzfristigem Einspringen, höhere Arbeitsmotivation, weniger Dropout – und mehr professionelle Zuwendung für jede betreute Person“, so Weichselbaumer. Und er ist überzeugt: „Stimmen die Rahmenbedingungen, dann ist der Pflegeberuf hinsichtlich gelebter Professionalität und erfahrener Sinnstiftung einer der befriedigendsten und schönsten Berufe, die man ergreifen kann!“

Klare Zielvereinbarung zwischen Bund und Ländern für Ausbildungsoffensive

Für 2030 wurde ein Gesamtbedarf an Pflegekräften von 158.300 Personen (= 125.300 Vollzeitäquivalente) errechnet. Das bedeutet einen Mehrbedarf von 75.000 Personen: 34.000 (davon 21.000 in der Langzeitpflege) ergeben sich aus der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Zunahme an Pflegebedürftigkeit. Die restlichen 41.000 Pflegekräfte braucht es, um die bevorstehenden Pensionierungen auszugleichen. „Die Drastik dieser Zahlen kann man sich am besten so veranschaulichen: Beinahe zwei Kinder jeder österreichischen Schulklasse müssten sich für den Pflegeberuf entscheiden, damit wir den Personalbedarf bis 2030 decken können“, erläutert Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich.

Karas wünscht sich deshalb im Zuge der Pflegereform einen klaren und nachvollziehbaren Plan sowie verbindliche und realistischeZielvereinbarungen zwischen Bund und Ländern, auf welchen Wegen wie viele Menschen in welchen Regionen für welche Berufsgruppen in der Pflege und Betreuung gewonnen werden können, um dem errechneten Bedarf gerecht zu werden. Das betreffe den Bereich der Primärausbildungen und der berufsbildenden Schulen sowie der Fachhochschulen ebenso wie Programme für Wiedereinsteger/innen und Umsteiger/innen, aber auch einen strategischen Plan Österreichs zur AuslandsrekrutierungAusbildungen für diese Mangelberufe seien laut Hilfswerk – nach dem Muster der Polizeiausbildung – kostenfrei zu stellen, der Lebensunterhalt sei entsprechend zu unterstützen.

Für eine wirksame Personaloffensive müssten Bund und Länder ihre Kompetenzen gezielt bündeln und an einem Strang ziehen, ist Karas überzeugt. „Das wäre ein schöner Neujahrsvorsatz für die Politik“, sagt der Präsident des Hilfswerk Österreich, und meint damit den Sozialminister ebenso wie die zuständigen Landesräte/-rätinnen. Als mögliches Muster für ein Vorgehen in diesem Sinne nennt Karas die Bedarfs- und Entwicklungspläne der Länder zur Sicherung der Infrastruktur in der Pflege und Betreuung wie mobile Dienste, Tagesstätten und Pflegeheime, zu der sich die Länder im Rahmen einer 15a-Vereinbarung mit dem Bund verpflichtet haben. „Es braucht einen nationalen Kraftakt auf regionalen Grundlagen, sonst bekommen wir bei diesem wichtigen Vorhaben nicht genug PS auf die Straße“, meint Karas.

Gerechte Anerkennung der Pflegeberufe und ihrer Kompetenzen als Schlüssel

Ein Hauptschlüssel zur Lösung des Personalproblems liegt für Pflegedienstleiter Weichselbaumer aber auch in der Attraktivierung der beruflichen Rahmenedingungen, insbesondere in der konkreten Wertschätzung der Pflegeberufe und der Anerkennung ihrer Kompetenzen. „Nicht jede und jeder kann pflegen. Unsere hochspezifische Ausbildung befähigt uns dazu, die Lebensqualität von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen professionell und nachhaltig zu verbessern. Wir sind Expert/innen in Gesundheitsvorsorge, psychosozialer Begleitung und verfügen häufig über Zusatzkompetenzen wie Inkontinenz- oder Wundmanagement“, erläutert Weichselbaumer. Umso unverständlicher sei es, dass Pflegefachkräfte, die stets auf Tuchfühlung mit den betreuten Personen agierten, zum Beispiel keine Pflegeprodukte verschreiben dürften oder die gesetzlich vorgesehene Weiterverordnung von Medizinprodukten de facto noch immer blockiert sei. Das komme einer Verhöhnung der Pflegekompetenzen gleich, sei extrem bürokratisch und verhindere, dass der Beruf dauerhaft als wirksam und sinnstiftend erlebt werde, so Weichselbaumer.

Die mangelhafte Anerkennung der Kompetenzen im beruflichen Alltag samt daraus resultierender Konsequenzen trage nicht nur zum Dropout aus dem Beruf bei, er mache für informierte Interessenten und Interessentinnen auch den Zugang zum Beruf weniger attraktiv, als er sein müsste: „Gerade jene, die im zweiten oder dritten Bildungsweg die Pflege in Erwägung ziehen, schauen auf berufliche Entfaltungschancen, auf Weiterbildungsoptionen, auf die Organisation der Arbeit – und natürlich auch auf die Verdienstmöglichkeiten. Wir müssen alles daran setzen, hier attraktivere Rahmenbedingungen zu schaffen, sonst wird uns keine nachhaltige Deckung des Personalbedarfs gelingen“, meint Weichselbaumer abschließend.