„APA“: Ukraine: Karas rechnet mit EU-Beitrittskandidatenstatus vor Sommer
Utl.: Europäischer Mediengipfel in Lech diskutiert über „Zeitenwende“ und „Welt im Ausnahmezustand“ – Weiter Kritik an Nehammer-Reise zu Putin
Lech/Kiew (Kyjiw) (APA) –
Die Ukraine könnte noch vor dem Sommer den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Othmar Karas, EU-Abgeordneter der ÖVP und Erster Vizepräsident des Europaparlaments, rechnet mit einer entsprechenden Entscheidung der EU-Kommission. „Ich gehe davon aus, dass es zum Beitrittskandidatenstatus kommen wird“, sagte Karas beim Europäischen Mediengipfel in Lech.
Der EU-Parlamentarier sprach von einer politischen Entscheidung und einem Signal der Unterstützung nach der russischen Aggression gegen die Ukraine. „In der Ukraine herrscht Krieg, eine historische Notsituation.“ Karas geht auch davon aus, dass im sechsten Sanktionenpaket gegen Russland ein Öl-Embargo enthalten sein wird. Man müsse alles tun, um diesen Krieg zu stoppen. „Demokratie, Friede und Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif.“
Der ukrainische Politologe Sergiy Kudelia betonte beim Europäischen Mediengipfel, der sich heuer dem Thema „Zeitenwende“ und „Unsere Welt im Ausnahmezustand“ widmet, dass es keine Alternative zu einem EU-Beitritt der Ukraine gebe. Russlands Präsident Wladimir Putin werde die Aggression nicht stoppen sondern weiter eskalieren. Russland befinde sich längst auf dem Weg zu einer „stalinistischen Festung“.
Zu einem ähnlichen Schluss kam der Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott. Putin gehe es um die Wiederherstellung eines „historischen Russlands“ von einstiger imperialer Macht und Größe. Auch ein sechstes, siebtes oder achtes Sanktionenpaket werde Russlands Aggression nicht stoppen. Das optimistischste Szenario sei, dass Putin aufhört, wenn der Donbass und eine Landbrücke zur 2014 annektierten Krim erobert sind. Er gebe niemanden im innersten Putin-Zirkel, der den Präsidenten aufhalten könnte. „Niemand wird ihm rote Linien aufzeigen, es wird keine Palastrevolution geben.“
Mangott erneuerte in Lech seine Kritik an der Reise von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu Putin. Russische Staatsmedien hätten das Treffen auch ohne Fotos für Propagandazwecke genutzt. Putin sei nicht isoliert, so die Botschaft. Nehammer habe vor seinem Putin-Besuch angekündigt, humanitäre Korridore für Flüchtlinge zu fordern und den Präsidenten mit Kriegsverbrechen des russischen Militärs zu konfrontieren. Humanitäre Korridore gebe es nicht, und auch kein russisches Eingeständnis von Kriegsgräueln, so Mangott. „Die Reise brachte keine Ergebnisse, sie war nutzlos.“
Unterstützung für Nehammer kam von Karas. „Miteinander zu reden, ist immer besser, als aufeinander zu schießen. Wir müssen im Gespräch bleiben. Das kann aber nicht die Entschlossenheit ersetzen, die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor zu unterstützen“, so der EU-Abgeordnete der ÖVP.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr skizzierte unterdessen die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine: höhere Preise und Inflation, Wohlstandsverlust, eine ärmere Bevölkerung. Die Politik müsse diese Entwicklung für Menschen mit niedrigeren Einkommen abfedern, erklärte Felbermayr.
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sicherte bei der Eröffnung des Mediengipfels weitere Hilfe bei der Versorgung von Flüchtlingen zu. „Wir helfen, wo wir helfen können, ohne Zahl, ohne Grenzen, ohne Quoten, vernünftig integriert“, sagte Wallner, der derzeit den Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz führt und in Vorarlberg wegen der Korruptionsaffäre des ÖVP-Wirtschaftsbunds zunehmend unter Druck gerät.