Wirtschaft und Währung

Corona-Krise: Wie finanzieren wir den Auf- und Ausbau unseres Hauses Europa?

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Wir stehen vor einer so noch nie dagewesenen globalen Herausforderung, die alle europäischen Volkswirtschaften trifft. Die Corona-Krise ist die schlimmste Krise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, wenn man die wirtschaftlichen und sozialen Folgen betrachtet. Alle EU-Länder sind gleichzeitig und ohne eigenes Verschulden mit einem massiven Nachfrage- und Angebotsschock konfrontiert. Weder Virus noch Rezession machen an Landesgrenzen halt. Es wird daher nicht genügen, wenn jedes EU-Land sein eigenes Süppchen kocht und getrennt voneinander Hilfsprogramme auflegt. Wir müssen die Last der Krise miteinander schultern. Europa braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung, finanzielle Solidarität und ein umfassendes Aufbauprogramm. Dazu gehören auch neue, solidarische Finanzierungs- und Einnahmeinstrumente – nicht nur für die Eurozone, sondern für die ganze EU.      

 

Es liegt im Interesse Österreichs, dass alle EU-Mitgliedstaaten die Corona-Rezession überwinden. Gerade wir in Österreich haben den eigenen Wohlstand in hohem Ausmaß durch Export und Tourismus erwirtschaftet. Zwei Drittel unseres Wohlstandes erzielen wir außerhalb des Landes, aber innerhalb der Europäischen Union. Italien ist unser drittwichtigstes Exportland. Wir brauchen die Kraft der Wirtschaft in der EU für unseren Tourismus und die Exporte. Denn wer soll die österreichischen Produkte und Dienstleistungen noch kaufen, wenn die europäische Wirtschaft am Boden bleibt?

 

Leider wird derzeit die Vergemeinschaftung von Schulden völlig unnötig zum Schreckgespenst stilisiert. Denn Corona-Anleihen sind keine klassischen Eurobonds: Wenn gemeinsame Anleihen einmalig, zweckgebunden und zeitlich befristet sind, gibt es keinen dauerhaften Haftungsautomatismus für die Staatsverschuldung und damit auch keinen Verstoß gegen Artikel 125 des EU-Vertrages. Auch jeder Anreiz für ein unsolides Haushalten ist minimiert. Daher müssen wir aufhören, Feindbilder zu schüren und über Begriffe zu streiten. Es muss darum gehen, rasch solidarische, finanzielle Instrumente zu schaffen. Wie das Lösungsmodell heißt ist egal, wichtig ist, dass es funktioniert und Europa auf dem Weg aus der Krise und darüber hinaus voranbringt.

 

Ich plädiere für ein Gesamtpaket. Gestern Nacht, am 9. April 2020, haben die EU-Finanzminister ihre dringendste Hausaufgabe als Krisenfeuerwehr erledigt und ein Bündel aus drei Maßnahmen angenommen: Das neue EU-Kurzarbeit-Instrument SURE mit 100-Milliarden-Euro Hilfe für Arbeitnehmer. Den Pan-Europäischen Garantiefonds, den die Europäischen Investitionsbank initiiert, um weitere 200 Milliarden Euro für KMU und Einzelunternehmen in ganz Europa zu mobilisieren. Und die neue Kreditlinie des Euro-Rettungsschirm ESM, um Euro-Länder in der Höhe von bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu unterstützen – was für Österreich rund acht Milliarden Euro ausmacht.  Mit diesem Sicherheitsnetz von insgesamt 540 Milliarden Euro können wir mithelfen, das Feuer zu löschen. Es wird aber nicht ausreichen, um unser Haus Europa nach der Corona-Krise auf- und auszubauen, katastrophensicher und zukunftsfit zu machen.

 

Im zweiten Schritt benötigen wir daher neue, solidarische Finanzinstrumente zur Finanzierung der europäischen Aufbauhilfe – als Ergänzung des künftigen EU-Budgets für 2021-2027. Um unsere Wirtschaft wieder auf die Beine zu bekommen, könnten für den EU-Aufbaufonds gemeinsame Anleihen von der Europäischen Kommission, der Europäischen Investitionsbank, dem ESM oder gemeinsam von den EU-Ländern begeben werden. Die Ausgabe wäre einmalig, zweckgebunden, zeitlich begrenzt und daher in Einklang mit EU-Recht. Da alle Staaten mit ihrer gemeinsamen Kraft hinter der Emission stünden, wäre eine Platzierung zu günstigen Konditionen möglich. Ein Vorteil ist auch, dass die Zinsen derzeit niedrig sind und die gemeinsame Anleihe als Gemeinschaftsinstrument zu einer noch niedrigeren Verzinsung führt. All das wäre vollkommen im Rahmen der EU-Verträge und ohne Vergemeinschaftung bestehender Schulden möglich. Das Signal wäre klar: Europa steht zusammen, kein einziges Land ist Bittsteller und bleibt auf der Strecke.

 

Drittens braucht die EU neue eigene Einnahmen, sogenannte EU-Eigenmittel, und erhöhte Mitgliedsbeiträge zur Finanzierung des EU-Budgets für 2021-2027, damit wir die Herausforderungen der Zukunft glaubwürdig bewältigen und als Chance für Europa nutzen können. Der Green Deal gegen den Klimawandel, der Ausbau der Gesundheits- und Sozialinfrastruktur („White Deal“), die EU-Industrie- und Forschungsstrategie, die Stärkung der Sozialen Säule und einen Katastrophenplan für künftige Pandemien – all das erfordert eine gemeinsame Finanzierung als Investition in unsere Zukunft. Daher heißt es einmal mehr: Wir müssen endlich aufhören, unnötig Schreckgespenster an die Wand zu malen und über Begrifflichkeiten zu streiten, sondern solidarische Instrumente schaffen, die unsere Ziele erreichen und Ängste beseitigen. Dann gehen wir gestärkt auch aus der Corona-Krise hervor.