Europa in der Welt, Wirtschaft und Währung

Karas: „Megafusion der Londoner Börse wirft Fragen auf“

154401813

Brüssel, 13. November 2020. „Gut funktionierende Finanzmärkte spielen eine wesentliche Rolle für die europäische Wirtschaft und den Wiederaufbau Europas. Wenn es den geplanten Zusammenschluss der Londoner Börse (London Stock Exchange Group/LSE) mit dem US-Finanzriesen Refinitiv gibt, dann könnte das globale Auswirkungen haben und zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Finanzmarkts in der EU gehen. Über negative Auswirkungen auf die Ausgabe und den Handel von europäischen Staatsanleihen könnten auch die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten betroffen sein. Ich habe daher eine dringliche Anfrage an die EU-Kommission als zuständige Wettbewerbsbehörde gestellt, um zentrale Fragen dieser Megafusion zu klären“, sagt Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss.

Der geplante Zusammenschluss mit dem US-Finanzriesen Refinitiv könnte dem Finanzmarkt schaden.

Othmar Karas MEP

„Gemeinsam hätten die Londoner Börse und Refinitiv eine beträchtliche Marktmacht und damit Einfluss auf den Marktzugang, Finanzierungsbedingungen und Investitionsmöglichkeiten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt für die EU-Mitgliedstaaten. Das muss die Europäische Kommission genauestens unter die Lupe nehmen. Insbesondere die neuen Kapazitäten der Londoner Börse im Bereich der Finanzdatensammlung und -auswertung würden für eine neue Dimension der Gewichtung zwischen den europäischen Wettbewerbern sorgen. Der Brexit verleiht dieser Situation zusätzliche Brisanz“, sagt Karas.

„Wir wollen von der EU-Kommission daher wissen, welche Auswirkungen vor allem die neue Konzentration der Datensammlung und -analyse haben könnte, inwiefern die Tätigkeit der EZB und der Zentralbanken beeinträchtigt werden und welchen regulatorischen Einfluss die EU auf die neue Megabörse in London noch haben könnte“, schließt Karas.

Hintergrund: Refinitiv ist die ehemalige Finanzsparte des Medienkonzerns Thomson Reuters, die 2018 mehrheitlich vom US-Investor Blackstone übernommen worden war und jetzt um umgerechnet 27 Milliarden Euro an die LSE gehen soll. Gemeinsam haben die LSE und Refinitiv 2018 den doppelten Umsatz der Deutschen Börse gemacht. Um Bedenken der Kommission zu zerstreuen, hat die LSE laut Medienberichten angeboten, die Borsa Italiana in Mailand für 3,3 bis 4,3 Milliarden Euro und/oder deren Handelsplattform für Staatsanleihen (MTS) für 270 bis 340 Millionen Euro zu verkaufen.